Professor Dr. Steffen Müller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) spricht im Interview über die strukturellen und volkswirtschaftlichen Ursachen des Lohngefälles zwischen ost- und westdeutschen Bundesländern.

Von Christiane Siemann

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COMP & BEN: Herr Professor Dr. Müller, seit rund 35 Jahren existiert ein Lohngefälle zwischen Ost und West. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern verdienen weniger Gehalt als ihre Kolleginnen und Kollegen im Westen. Die Lohnlücke liegt – je nach Datengrundlage und Methode – zwischen zehn und 20 Prozent. Wie ist das zu erklären?

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COMP & BEN: Inzwischen haben sich westdeutsche und internationale Unternehmen mit ihren Werken in den neuen Bundesländern angesiedelt, zum Beispiel der chinesische Batteriehersteller CATL, und mit dem taiwanesischen Halbleiterkonzern TSMC kommt ein weiteres großes Unternehmen. Zeigt das keinen Einfluss auf die Produktivität?

Prof. Steffen Müller: Die Niederlassungen großer Konzerne wie Volkswagen, Siemens oder BMW stellen nur einen kleinen Teil der Arbeitgeber dar. Wenn diese Unternehmen im Osten ein Werk gründen, dann ist es oft eine reine Produktionsstätte mit der gleichen Arbeitsproduktivität wie in den alten Bundesländern. Hier liegen die Löhne nah am Westniveau, aber eben hauptsächlich in den unteren, geringer entlohnten Funktionsbereichen. Gleichzeitig sitzen im Osten keine Zentralen von Großkonzernen, in denen die Spitzenjobs angesiedelt sind wie zum Beispiel in der Verwaltung, im Marketing, in Forschung und Entwicklung und im Management. Das wirkt sich auch auf das Lohngefälle zwischen Ost und West aus: Der Pay Gap ist in der Regel nicht getrieben von einfachen Jobs, sondern von den Top-Jobs, die in den neuen Bundesländern viel weniger vorhanden sind.

Mehr zum Thema: Interview Prof Steffen Müller

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